Songwriting in spätmodernen Gesellschaften: Netzwerkbildungen von Schlafzimmer-Individuen bis Gruppen-Fließbändern

Activity: Talk or presentation typesInvited talk

Description

Das Songwriting erschafft einen Kern populärer Musikkulturen, den Song. Als Prozess sowie soziale Konfiguration bildet es spätmoderne gesellschaftliche Entwicklungen mindestens in zweierlei Hinsicht ab: Erstens folgen scheinbar immer mehr Personen dem Kreativitäts-Dispositiv oder gar Imperativ (Reckwitz 2016), indem sie selbst aktiv werden als „Bedroom-Producer“ (Barna et al. 2022) oder in DIY-Szenen (Richards 2017). Digitale Medien werden ihnen hierfür als Ermächtigungs- und Demokratisierungsagenten angepriesen, wenngleich sie dies per se nicht leisten können oder wollen (Berliner 2018; Bell 2015; Möllenkamp 2017), aber dennoch wahrnehmbaren Einfluss nehmen auf die Ästhetik der Produkte (Fabian/ Ismaiel-Wendt 2018; Wandler 2021) sowie das spätere Rezeptionsverhalten (Becker 2013) und die Musikwirtschaft (Tschmuck 2020).

Zweitens spitzen sich im Kontext kommerziellen Songwritings Prozesse der Spezialisierung sowie der arbeitsteiligen, postfordistischen Vorgehensweise zu. Wenngleich Musik auch historisch bereits durch unterschiedlich qualifizierte Personen (Komponist:innen, Arrangeur:innen, Texter:innen) entstand, so lässt sich spätestens seit den 2000er-Jahren eine Veränderung innerhalb der Song- oder „Hit-Fabriken“ (Seabrook 2015) erkennen. Einerseits entstehen Firmen, wie Cheiron Studios, RedZone Entertainment oder Prescription Songs, in denen in der Tradition erfolgreicher Songwriter-Unternehmen aus der Tin Pan Ally oder dem Brill Building bis zu 50 Personen gleichzeitig an Produktionen arbeiten (Seabrook 2015: 236). Und andererseits setzen auch Musikverlage, Plattenfirmen, Aggregatoren und weitere Stakeholder der Musikwirtschaft zunehmend auf Songwriting Camps (Ahlers/Herbst, eingereicht). Hier ergeben zusätzlich zu Fragen rund um Machtstrukturen auch organisationale sowie kreativitätsbezogene Aspekte um kollaborative Kreativität (Bennett 2014), sowie um Verwertungs-, Leistungsschutz oder Urheberrechte.

Wir gehen von Spannungen in den Netzwerken der Singualisierung und kollaborativer Kreativität, medientechnologischer Standardisierung sowie neoliberaler Arbeit in der so genannten Kreativwirtschaft aus und möchten dies gern diskutieren.
Period21 Sep 2023
Event titleMusik in der spätmodernen Gesellschaft: Krisen – Chancen – Transformationen”
Event typeConference
LocationWeimar, GermanyShow on map
Degree of RecognitionInternational